Stadtratswahl 2019: Die Kandidierenden und der Alte Leipziger Bahnhof

26. Mai 2019. Die Dresdnerinnen und Dresdner wählen einen neuen Stadtrat. Sie bestimmen damit auch über die Zukunft des Alten Leipziger Bahnhofs.

Wird der Beschluß zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans zugunsten der GLOBUS Handelsgesellschaft aufgehoben? Wird der Masterplan ohne GLOBUS vorangetrieben werden? Wie stark – und wie geschickt  –  wird die Stadtgesellschaft, vertreten durch die  Bürgermeister und den Rat, von ihrer Gestaltungshoheit Gebrauch machen?

Das haben wir uns gefragt, und das haben wir auch die Menschen gefragt, die in den  Wahlkreisen  02 (Neustadt) oder 03 (Pieschen) für den Stadtrat kandidieren. (Wir haben es den Parteien überlassen, den jeweiligen Kandidaten zu benennen.)

Konkret lauteten unsere Fragen:

  1. Was ist Ihnen am wichtigsten an der künftigen Entwicklung des Alten Leipziger Bahnhofs und der angrenzenden neuen Quartiere bis zum Puschkinplatz?
  2. Wie stehen Sie zu einer Bürgerbeteiligung zur Entwicklung der Leipziger Vorstadt?
  3. Wie würden Sie die weitere Entwicklung unterstützen? Welche Rolle sehen Sie für sich persönlich und für den Stadtrat dabei?

Fünf Kandidierende haben sich dazu geäußert (in der Reihenfolge des Posteingangs):
Veit Böhm (CDU), Pia Barkow (LINKE), Martin Schulte-Wissermann (PIRATEN), Kati Bischoffberger (GRÜNE) und Stefan Engel (SPD).
In der Galerie sind die offiziellen Porträts der Parteien zum aktuellen Wahlkampf zu sehen.

Hier die Antworten im Wortlaut:

Veit Böhm

  1. Mir ist zunächst sehr wichtig, dass mit Globus eine einvernehmliche Lösung für einen anderen Standort und für die Entwicklung der Flächen am alten Leipziger Bahnhof gefunden wird (und auch mit den anderen Grundstückseigentümern). Andernfalls wird es auf absehbare Zeit keine Entwicklung an diesem Standort geben. Weiterhin, dass im Zuge einer Standortentwicklung auch eine Lösung für die Sanierung und sinnvolle zukünftige Nutzung des alten Leipziger Bahnhofs gefunden wird.
  2. Von der Verwaltung ist eine umfangreiche Bürgerbeteiligung (analog Königsufer) angedacht. Ich finde das ist ein guter Ansatz für eine Bürgerbeteiligung. Weiteres wird sich im Verfahren ergeben.
  3. Zur Ehrlichkeit gehört, dass der Stadt Dresden die Flächen nicht gehören und somit Politik nur eine moderierende Rolle übernehmen kann. Dabei möchte ich gern weiter unterstützen. Enteignungen in der ein oder anderen Form lehne ich ab. Zumal gegen den Willen der Grundstückseigentümer kaum eine kurz- und mittelfristige Standortentwicklung möglich ist.

Pia Barkow

  1.   Das Quartier als Ganzes soll zu einem lebendigen Stadtquartier entwickelt werden mit einer Mischung aus Wohnen, Kultur und Kreativräumen. Dabei soll der Alte Leipziger Bahnhof als Technisches Denkmal und Gedenkstätte integriert werden.
  2.   Eine umfassende und vor allem frühzeitige Bürgerbeteiligung ist mir sehr wichtig. Die Menschen vor Ort und vor allem diejenigen, die aktuell auf dem Gebiet aktiv sind – z. B. im Künstlerhaus, auf dem Wagenplatz, in der Blauen Fabrik – sollen in die Entwicklung des Gebietes von Anfang an einbezogen werden.
  3.   Als Linksfraktion haben wir in den vergangenen fünf Jahren mehrere Anträge eingereicht, die genau diese Entwicklung des Areals zum Ziel hatten. Auch in der kommenden Wahlperiode wollen wir als LINKE den Prozess voran treiben und aktiv begleiten.

Martin Schulte-Wissermann

  1.   Das Areal um den Leipziger Bahnhof ist riesig! Daher ist es wichtig zu erkennen, dass hier ein Pieschen und die Neustadt verbindendes Stadtviertel neu entstehen wird. Ein Stadtviertel braucht mehr als nur Häuser. Es braucht ein Zentrum mit kleinen Geschäften und Cafes, es braucht eine gute Mischung aus Wohnen, Arbeiten und Freizeitnutzung – und schließlich braucht es auch Grün und eine gute, fußläufige Durchwegbarkeit. Hier kann „die Stadt der kurzen Wege“ Realität werden [https://www.piraten-dresden.de/themen/wahlprogramm/#Stadt_der_kurzen_Wege-Walkable_City].
  2.   Bürgerbeteiligung kann bei der Planung des neuen Stadtteils nicht nur aus einer klassischen Einwohnerversammlung bestehen. Auch sollte weder die Stadt noch ein Investor allein die Planungen betreiben. Wir brauchen vielmehr einen partizipativen Ansatz, der alle Akteure von Anfang an mit in die Planungen einbindet [https://www.piraten-dresden.de/themen/wahlprogramm/#Partizipativer_Ansatz_bei_der_Stadtraumentwicklung ]. Alle zusammen – die Stadt, Investoren, Vereine und Initiativen vor Ort, Genossenschaften, Bauherrengemeinschaften … jeder, der eine konkrete Vision für den Stadtteil hat, muss bei den Planungen aktiv beteiligt und berücksichtigt werden. Es geht ja nicht darum, „irgendetwas“ zu bauen – es geht darum, dass der neue Stadtteil später auch funktioniert und mit Leben gefüllt wird.
  3.   Ich werde bis zum Umfallen dafür kämpfen, dass das Areal um den Leipziger Bahnhof nicht für einen Investor für einen Hypermarkt oder gar für Industrie geopfert wird. Wir brauchen hier soziales Wohnen in einem schönen neuen Stadtteil. Der Stadtrat muss hier selbstbewusst und aktiv handeln. Der jetzige Bebauungsplan für Globus ist aufzuheben und ein neuer Bebauungsplan für ein Stadtviertel ist zu entwickeln. So kann die Vision der PIRATEN Wirklichkeit werden, ein neues und dringend gebrauchtes Wohn- und Lebensquartier zu schaffen [https://www.piraten-dresden.de/themen/wahlprogramm/#Zielvorgaben_fuer_Bebauungsplan_Leipziger_Vorstadt].

Kati Bischoffberger

  1.   Das Gebiet um den Alten Leipziger Bahnhof muss etwas Besseres werden als ein großes Einkaufscenter mit Megabetonwüstenparkplatz!   Gemeinwohl geht vor privatem Interesse an Profitmaximierung!   Das Gebiet vom Puschkin Platz bis zum Alten Leipziger Bahnhof ist ein Juwel, wie es Frau Dr. Brombacher, die Sprecherin der Bürgerinitiative so schön formulierte!   Ja, es ist ein Edelstein, ein noch unentwickeltes Gebiet voller Potentiale, zentrumsnah, elbnah, verkehrlich bestens angebunden! Es ist die Chance, mal wirklich ein richtig schönes neues lebendiges, quirliges Stadtviertel entstehen zu lassen.
  2.   Bürgerbeteiligung unbedingt! Stadtentwicklung sollte immer gemeinsam mit den Dresdnerinnen und Dresdnern passieren! Wir wünschen uns verantwortungsbewusste Bürger*innen, also muss es auch die Möglichkeit geben, Verantwortung zu übernehmen!   Ich habe die Vision eines moderierten Beteiligungsprozesses mit einem mehrstufigen Wettbewerbsverfahren: Raum für sprudelnde Ideen! Ein buntes Stadtquartier lebt von Grün, von Cafés, von Kultur, von vielem mehr, vor allem aber von einem gemeinschaftlichen Miteinander. Um dies zu erzeugen, ist es völlig logisch, dass man schon bei den Planungen im Miteinander anfangen muss!
  3.   Wie? Mit meinem ganzem Herzen! Vor allem gemeinsam mit Dresdner*innen die Lust haben, das neue Quartier mit zu gestalten. Selbstverständlich gehören dazu die Grundeigentümer, Experten der Stadtplanung, Entscheidungsträger aus der Politik und alle, die eine Beziehung zu dem Gebiet haben oder dort leben möchten  – eben alle die wichtig sind! Ich setze mich seit 7 Jahren (zuerst als Ortsbeirätin, seit 5 Jahren als Stadträtin) aktiv für eine lebenswerte Zukunft des Areals ein und werde alle mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen – für ein neues grünes Stadtquartier, das Pieschen mit dem Stadtzentrum auf schönste Weise verbindet.

Stefan Engel

  1. Mein Ziel ist die Schaffung eines wirklich durchmischten und lebendigen Stadtteils, der Pieschen und die Neustadt gelungen verbindet. Dazu gehören für mich vor allem bezahlbare Wohnungen, Raum für kulturelle Nutzungen, Grünflächen und kleinteiliger Einzelhandel. Aber auch die wechselhafte Geschichte des Ortes muss sichtbarer Teil einer neuen Nutzung sein.
    Damit dieser Wunsch gelingt, muss kurzfristig eine Lösung für das Areal am Alten Leipziger Bahnhof her. Die SPD hat daher zusammen mit den Grünen erneut die Initiative gestartet, den alten Bebauungsplan aufzuheben. Ein riesiger Einkaufsmarkt erzeugt wahnsinnig viel Verkehr und bedroht auch den gewachsenen Einzelhandel in Pieschen und der Neustadt. Ein Ersatzstandort für Globus an anderer Stelle in Dresden wäre ein Kompromiss, der zwar schmerzhaft ist, aber Teil einer einvernehmlichen Lösung sein könnte. Damit die Stadt wirklich wirksam Einfluss auf die Entwicklung in der Leipziger Vorstadt nehmen kann, sollte ein teilweiser Flächenkauf durch die öffentliche Hand geprüft werden.
  2. Eine frühzeitige Bürgerbeteiligung ist für mich bei der weiteren Entwicklung unverzichtbar. Politische Entscheidungsträger, Stadtverwaltung, interessierte Bürger, Flächeneigentümer, derzeitige Nutzer und Initiativen müssen an einen Tisch. Die vielen unterschiedlichen Ideen müssen vor einer detaillierten Planung grundsätzlich zusammen diskutiert werden. In weiteren Planungsschritten kann ich mir Modelle wie z.B. Bürgerwerkstätten gut vorstellen, bei denen Interessierte ganz konkret in die Gestaltung von Teilabschnitten einbezogen werden. Das hat beim Grünzug Gehestraße sehr gut funktioniert.
  3. Als Stadtbezirksbeirat in Pieschen und ggf. zukünftiger Stadtrat sehe ich meine Rolle vor allem darin, den weiteren Prozess zu moderieren. Wichtige Ziele und die Interessen der umliegenden Stadtteile dürfen dabei aber nicht in Vergessenheit geraten. Uns bietet sich an dieser Stelle eine deutschlandweit fast einmalige Möglichkeit, in einer sehr zentralen Lage einer Halbmillionenstadt ein ganz neues Stadtquartier zu gestalten. Dabei muss die gerechte und nachhaltige Entwicklung unserer Stadt im Mittelpunkt stehen, nicht in erster Linie die Interessen der Investoren.

Der Kandidat der FDP, Stefan Scharf, hat zwar an unserer Podiumsdiskussion am 26. April 2019 teilgenommen, aber keine schriftlichen Antworten auf unsere Wahlprüfsteine zur Verfügung gestellt.