Zusammenfassung der ersten Sitzung der Begleitgruppe. Von Holger Knaak

Holger Knaak, Vertreter des Stadtbezirksbeirats Neustadt in der Begleitgruppe zur Entwicklung des Geländes um den Alten Leipziger Bahnhof, Leipziger Vorstadt:

Am 1. April (kein Aprilscherz) fand das erste Treffen der Begleitgruppe Alter Leipziger Bahnhof (ALB) statt, der ich als einer von zwei gewählten Vertretern des SBR Neustadt angehöre.

Die Begleitgruppe hat die Aufgabe, die stadtplanerischen Vorgaben für die Entwicklung der Fläche zwischen Eisenbahnstraße, Leipziger Straße, Hansastraße und Erfurter Straße zu bestimmen – also was auf dieser Fläche entstehen soll und was nicht. Dies ist nur möglich, weil auf dieser Fläche das kooperative Baulandmodell Anwendung findet, d.h. nicht nur die Interessen der Grundstückseigentümer und zukünftiger Investoren sondern auch die Interessen der Allgemeinheit Grundlage aller Planungen sein soll.

Die Begleitgruppe besteht aus insgesamt 48 Personen: allen 12 Grundstückseigentümern, 6 gelosten Bürgern, 4 gewählten Vertretern der Stadtbezirksbeiräte Neustadt und Pieschen, 4 Vertretern des „Akteursnetzwerkes Leipziger Bahnhof“, Vertretern weiterer zivilgesellschaftlicher Gruppen, Vertretern aller Stadtratsfraktionen und natürlich auch aus der Stadtverwaltung.

Im ersten Teil gab es einen geführten, etwa 90-minütigen Rundgang über das Gelände. Start war an der Hanse 3. Weitere Halte waren der Bahnhof (Blaue Fabrik), die Lokschuppen, Freiraum mit den Skaterplätzen, die alte Orangerie von Villeroy & Boch, Alter Schlachthof, Gewerbeflächen (MEGA) an der Erfurter Straße. Die Eigentümer und die auf den Flächen schon Aktiven hatten die Möglichkeit für kurze Statements an „ihren“ Orten. Der Rundgang war sehr informativ und seitens der Verwaltung fachlich sehr gut vorbereitet. Es blieb nebenbei auch genug Zeit zu Gesprächen untereinander und gegenseitigem „Sondieren“.

Danach ging es in die GEH 8 zum zweiten Teil.

Nach einer allgemeinen Vorstellungsrunde („wer bin ich und was wünsche ich mir für die Fläche“) und kurzen Vorträgen (zur Geschichte, Ist-Zustand und Eigentümer-Struktur, zu berücksichtigende rechtliche Aspekte) wurde die öffentlichen# online Auftaktveranstaltung vom 21. Januar ausgewertet.

Dort waren vor allem vielfältige städtebauliche Lösungen, kleinteilige Bebauung, aufeinander abgestimmte Architektur, genossenschaftliches Bauen, Mehrgenerationen-Wohnen, Freiräume zum Verweilen, Biotop-Erhalt, Standort für Verkehrsmuseum und Vorrang des Allgemeinwohls vor reiner Verwertungslogik gefordert worden.

Nach einer kurzen Pause wurden alle Anwesenden in vier Arbeitsgruppen nach dem Zufallsprinzip verteilt, um reihum zu den vier Themenkomplexen – Nutzungen / Mobilität & Erschließung / Umwelt & Freiräume / Städtebau & Architektur – zu formulieren, was gewünscht und was nicht gewünscht ist. Dies wurde hinterher vom Moderatorenteam zusammengefasst.

Als Stichworte sind hier zu nennen:

  • Mobilität und Erschließung: keine Durchgangsstraßen, Stadt der kurzen Wege, Radverkehr, kurze Anbindungen des Zulieferverkehrs, Parkplätze unterirdisch
  • Nutzung: gemischtes und bezahlbares Wohnen, historische gewachsene Strukturen erhalten, schon vorhandene Akteure einbinden / erhalten. Quartierversorgung ja, aber kein großer Supermarkt. Platz für Sport, Grün, Freiraum.
  • Umwelt & Freiräume: Skaterhalle (gilt schon als gesetzt!) , Grünachsen, Biotop am Bahndamm erweitern, Wasserfläche (Teich), nicht alle Flächen „entwickeln“ sondern auch Platz für „unorganisiertes Wachsen“ (also klassischen Freiraum) lassen
  • Städtebau & Architektur: kleinteilige Bebauung, „organisches Quartier“ statt große Solitäre, visionär denken statt nur Variationen des Immergleichen, nachhaltig (mehr als nur „klimaneutral“), Mischnutzungen

In den Gruppen wurde teils recht detaillreich aber immer respektvoll und „auf Augenhöhe“ diskutiert.

Als Bestandaufnahme / Fazit ergibt sich dieser erste Gesamteindruck:

1. Die Event-Spange um den Alten Schlachthof soll erhalten bleiben.

2. Gewerbeflächen zwischen dieser und Erfurter Straße sollen bleiben, ggf. sogar ausgebaut werden (MEGA denkt über Schließung des Standortes und Verkauf der Fläche nach, was neue Perspektiven ermöglicht)

3. Wohnbebauung an Erfurter Straße (Einfassung Puschkinplatz)

4. Erschließung (Zufahrten) primär von Leipziger Straße aus. Die Leipziger Straße soll (idealerweise) „Boulevard-Charakter“ erhalten, also Grünstreifen mit großen Bäumen und breitem Rad- und Fußgängerweg. Dahinter „funktionale Bebauung“ als Schallschutz für die dahinter liegenden Flächen (also z.B. unten Kleingewerbe, Mobilitätspunkte (Stationen E-Bikes, Lastenräder usw.), mittig Wohnungen, begrünte Terrassen und Dachgärten…

5. Wohnbebauung im zentralen Teil möglichst gemischt, also Sozialwohnungen nicht abgesondert sondern in jedem Haus. Frage ob sehr offene Bebauung oder im Mittelpunkt eine Art „Plaza“ mit Cafe, Bäcker, Kleinversorger, zentraler Poststelle (Idee: statt Anlieferung und Abholung von Waren an allen Hausnummern nur eine zentrale Stelle, mit Möglichkeit per Lastenrad größere Dinge nach Haus zu bringen)

6. Breite Grünachse vom Bahndamm, die dann einerseits Richtung Orangerie fortgeführt wird und andererseits Richtung Eisenbahnstraße allmählich in ein „kreatives Quartier“ (mit Kultur, Freier Szene, Kunsthandwerk, Ateliers) „ausfächert“. Im Bereich der Lokschuppen auch Entsiegelung von Flächen und Grünpflanzungen

7. Ecke Eisenbahnstraße – Leipziger Straße ein architektonischer „Auftakt“ bzw. ein „Tor“, dass ins Gelände hineinlockt.

8. Bahndamm an mindestens drei Stellen öffnen, um von Hansastraße Richtung Elbe zu kommen (nur für Fußgänger, und Radfahrer!) Unbedingt neute SB-Haltestelle im vorderen Bereich der Eisenbahnstraße.

Generell soll ein grüner, kleinteiliger Stadtteil entstehen, in dem es nicht 08/15 Fassadenbegrünungen sondern viele Bäume bis hin zu „Wäldchen“ gibt und Biotope erhalten und vergrößert werden. Sozial gemischte Häuser mit Dachgärten… keine Solitäre und lange Fassaden wie bei „Marina Garden“. Um möglichst viel Fläche für Grün, Freiraum, (nichtkommerzielle) Kultur und Veranstaltungsgewerbe zu erhalten wäre sogar ein kleines Hochhaus – quasi als Sichtachse zum HH am Albertplatz – denkbar (sofern es optisch anspruchsvoll „organisch“ „baumartig“ wäre).

Es ist klar, dass die Wünsche und Ideen aus der Allgemeinheit mit den Verwertungsinteressen einiger (nicht aller!) Grundstücksbesitzer bzw. in den Startlöchern stehenden Investoren kollidieren werden.

So sollen z.B. die vorgeschriebenen 15% Sozialwohnungen nur an der lauten Leipziger Straße entstehen können. Dies rief weitgehende Irritationen hervor und die Vorsitzende eines Dresdner Vereins musste sich sichtlich beherrschen, um in ihrer Argumentation, dass wir gemischtes und nach Einkommensgruppen selektiertes Wohnen brauchen, nicht emotional zu werden.

Auch die Sachsen Energie dürfte über die Aussage, dass die vielen Einzeldenkmale um den Leipziger Bahnhof herum möglichst alle erhalten bleiben sollen, wenig begeistert sein.

Es ist also schon in diesem Frühstadium der allgemeine Konflikt zwischen Verwertungslogik der Flächen und den Interessen der Allgemeinheit sichtbar geworden.

Hier gilt es aufzupassen und immer wieder gegenzusteuern. Genau dazu dient das kooperative Baulandmodell. Den Fakt, dass alle Wünsche und Ideen auch finanziert werden müssen und die Stadt nicht einfach überall dafür „herhalten“ kann, schafft es nicht aus Welt.

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